Sie läuten wieder.
Der Austausch der Glockenjoche ist abgeschlossen.
Rechtzeitig zu Weihnachten hat es die Firma Perner aus Passau geschafft, die neuen Glockenjoche zu liefern und einzubauen.
Nun können wir Weihnachten festlich einläuten.
5000 Jahre – und kein bisschen leise
Nein – so alt sind unsere Glocken in Wörth noch nicht. Aber Glocken gibt es seit über 5.000 Jahren, seit ungefähr 1.500 Jahren werden sie im Christentum als Rufinstrumente und als Zeichen für liturgische Handlungen eingesetzt. Mit ihren weltumspannenden Klängen verbinden sie die Kulturgeschichte der Menschheit und sprechen Menschen an – gleich welcher Hautfarbe, welcher ethnischen Herkunft, welcher Nation sie auch immer sein mögen. Glocken rufen zum Gebet und zur Fürbitte, sie zeigen Zeit und Stunde an und erinnern an die Ewigkeit. Für den Dienst in der Kirche werden sie in einem Gottesdienst eingeweiht. Die kirchenrechtliche Widmung bestimmt und begrenzt ihre Nutzung. Die Gemeinden legen die Läuteanlässe fest.
Der Gebrauch der Glocken hat sich im Laufe der Jahrhunderte in einzelnen Kulturlandschaften unterschiedlich entwickelt. Regionale Läutesitten sollen weiter mit Leben gefüllt werden.
Begriffe und Ordnungen
Häufig wird das Läuten mit dem Uhrschlag verwechselt. Der Uhrschlag ist nur vordergründig eine Zeitansage, ist aber auch so zu verstehen, dass er an die Vergänglichkeit und das Fortschreiten der Zeit erinnern soll: „Meine Zeit steht in Deinen Händen.“
Das Läuten mehrerer Glocken als Ruf zum Gottesdienst ist als akustischer Code in der Gesellschaft noch gut verständlich. Läutet jedoch eine Einzelglocke, begleitet diese entweder eine liturgische Handlung im Gottesdienst (Segen, Gebet, Wandlung), oder sie fordert außerhalb von Gottesdienstzeiten zum Gebet auf. Der Ruf zu Gottesdiensten, liturgisches Läuten und das Gebets oder Angelusläuten auch an Werktagen sind die einzige Legitimation einer christlichen Gemeinde, Glocken läuten zu dürfen (Kultusfreiheit im Sinne des Art. 4, Abs. 2 Grundgesetz. Selbstbestimmungsrecht der Kirchen Art. 140 Grundgesetz i.V. mit Art. 137, Abs. 3 Weimarer Verfassung).
Alltag und Rhythmus
Eine lange, bis in die frühen Hochkulturen zurückreichende Tradition ist es, den Tag in Dreistundenschritte zu unterteilen. Mönche in Klöstern übersetzten dies in Tagzeitengebete, die sie bis heute praktizieren. Auch zum Angelusläuten wird regelmäßig morgens, mittags und abends gebetet. Aktuell setzt sich wieder die Erkenntnis durch, dass einem Burnout durch die Rhythmisierung des Tages vorgebeugt werden kann.
Sich neu auf das Gebetsläuten im Tageslauf zu besinnen, heißt: nicht mehr, sondern bewusster zu läuten. Es kann dann beim Gebet ein Gemeinschaftsgefühl aller Christinnen und Christen entstehen: Das Gebet geschieht in dem Bewusstsein, dass gleichzeitig im ganzen Land Menschen mit Gott in Zwiesprache treten. Gemeinsame Gebete können verbinden und verändern.
Bislang erschließt sich die Bedeutung des Tagesläutens nur einem „eingeweihten“ kirchlichen Zirkel, das Läuten selbst wird aber von allen gehört. Das Läuten einer Gebetsglocke kann Erinnerungszeichen für eine Atempause, für Reflexion, für individuell gelebte Gottesbeziehung sein, aber auch einen Impuls für Begegnung und Gemeinschaft beinhalten. Je nach Situation und christlichkirchlicher Sozialisation begleitet es einen möglichen Weg von außen nach innen – ein Modell eines spirituellen Wachsens:
- Glocke hören –
„Mittagsgeläut“ - Innehalten –
Zäsur des Tagesablaufs im Bewusstsein, dass viele Menschen in diesem Moment sich der Welt und ihrer Bedürfnisse (z. B. Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung) – auch stellvertretend – gedanklich annehmen - Gedenken –
Innehalten und erinnern an persönlich verbundene Personen (z. B. „Bitte um Gesundheit“) - Gebet –
Hinwendung zu Gott als Adressat oder Begleiter für persönliche oder gemeinschaftliche Anliegen - Gemeinsames Beten nach einem verabredeten Ritus (Tagzeitengebet)
Widmung und Botschaft
Die meisten Glocken haben bereits beim Guss Widmungen erhalten. Diese enthalten Bibelzitate oder sind biblischen und kirchlichen Persönlichkeiten oder Heiligen gewidmet. Manche Inschriften lassen Glocken stellvertretend für uns Botschaften verkünden, auch wenn wir gerade selbst nicht anwesend oder unaufmerksam sind: „ora pro nobis – bitt‘ für uns“ oder „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort“.
Die primäre Aufgabe einer läutenden Glocke ist, zum Gottesdienst oder zum Gebet zu rufen. Sie verkündet eine Aufforderung, motiviert zum Handeln, erinnert an die Liebe Gottes für uns und an unseren Dienst an Gott. Sie unterbricht den Alltag, die Gleichgültigkeit, sie mahnt und erinnert. Glocken verkünden laute Botschaften. Sie sollen im Getriebe der Welt gehört werden.
Toleranz und Respekt
Auch Menschen, die der Kirche und dem Christentum nicht verbunden sind, können das Läuten einer Glocke als positives Signal verstehen. Dabei hilft es, dessen Widmungen zu vermitteln: Das Mittagsläuten als Bitte um den Frieden und das Abendläuten als Bitte für die Bewahrung der Schöpfung können vermutlich von vielen akzeptiert oder zumindest toleriert werden. Gemeinsam an das Wohl der Menschen und der Welt zu denken und entsprechend zu handeln, eint Religionen und Weltanschauungen.
Die in der Gesellschaft latent vorhandene positive Grundhaltung gegenüber Glocken – sie erinnern an biografische Stationen, an zugesprochenen Segen, an den Frieden, an Heimatgefühl – ermöglicht, Glockenläuten weiterhin als selbstverständlichen Teil des Zusammenlebens wahrzunehmen. In ländlich geprägten Gemeinden gibt es das „Totenläuten“ oder „Scheideläuten“, sobald der Tod eines Menschen im Ort bekannt wird: In dieser Situation sind alle gleich.
Zusammengestellt aus:
Hörst du nicht die Glocken? Gebetsläuten im Tageslauf
Herausgegeben vom Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen
Danke an Dieter Herbert für die Bilder aus dem Glockenturm