Wort des Pfarrers

DURCHSAGE DER POLIZEI AUF DEM WEIHNACHTSMARKT:

„Sehr geehrte Gäste, die Polizei warnt:

Bitte schützen Sie sich vor Taschendiebstählen

und tragen Sie Ihre Wertsachen nahe am Körper.“

Liebe Gemeindemitglieder, liebe Leserinnen und Leser,

diese Durchsage vom Aachener Weihnachtsmarkt ist zwar nicht mehr ganz aktuell, passt aber doch bestens zur bevorstehen­den Urlaubszeit, wo an vielen Sehnsuchts-Orten ein gleiches Gedrängel wie in den Städten vor Weihnachten herrscht.

Besonders aufgefallen ist mir allerdings der zweite Teil der Durchsage:

„Tragen Sie Ihre Wertsachen nahe am Körper.“

Das ist eine ordentliche Ansage, auf die man sein eigenes Leben aufbauen könnte, frei übersetzt: Trage das, was dir wichtig ist, also deine Wertsachen, nahe an deinem Herzen, damit sie dir nicht abhandenkommen. Pass auf, dass dir die wirklich wichtigen Dinge und vor allem die Menschen, die dir wichtig sind, nicht zu weit vom Herzen weg hängen. Gerade in den Wochen des Sommers, des Urlaubes und der Ferien, schreib eine Mail, ein Kärtchen, eine Message auf Facebook oder WhatsApp, mach ein Status-Update, stupse sie an oder sag mal ganz altmodisch wieder am Telefon, wie wichtig dieser Mensch für dich ist oder wie gerne du ihn magst.

Vielleicht ist das eine klare Ansage für die kommenden Wochen: Trag die Sachen, die dir wichtig sind, nahe an deinem Körper, und die Menschen, die dir wichtig sind, nahe an deinem Herzen – bevor dir irgendwas oder irgendwer abhandenkommt. (frei zitiert nach: Anzeiger für die Seelsorge 7/8 2017)

Gönne Dir Tankstellen in Deinem Leben

Jeder Autofahrer kennt die kritische Situation, wenn der Tank fast leer gefahren ist und die nächste Tankstelle nicht in Sicht. Man war gestern das Risiko des Weiterfahrens eingegangen, weil man dachte, das reicht ja noch und der Sprit könnte woanders billiger sein. Doch was jetzt?

An welcher Stelle wird mein Auto liegen bleiben? Vielleicht in einer Kurve, auf der Schnellstraße? In welche Gefahr begebe ich mich? Werden andere anhalten und mir weiterhelfen? Entdeckt mich sogar die Polizei und zieht mich wegen mangelnder Vorsorge zur Rechenschaft? Tausende Fragen gehen mir durch den Kopf.

Es kommt nicht nur auf das Fahren an – genauso wichtig ist das Tanken. Auch wenn die Pause an der Tankstelle nur kurz ist; ohne sie ist eine Weiterfahrt nicht möglich.

Als die Apostel von ihren Reisen und Märschen, vom Predigen und Unterweisen erschöpft und müde zurückkehren, empfiehlt ihnen Jesus eine Pause: „Kommt mit mir an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus.“ Und der Evangelist fügt erklärend hinzu: „Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen“ (Markus 6,31).

Wir Menschen können nicht immer auf Hoch­touren laufen. Wir brauchen Zeiten der Ruhe und Besinnung, in denen wir wieder auftanken können: körperlich, geistig und geistlich.

Wer auf Dauer darauf verzichtet, braucht sich nicht zu wundern, wenn er wie ein Auto auf der Strecke bleibt.

Darum sind Kontrast-Tage, Kontrast-Erlebnis­se und Kontrast-Erfahrungen so wichtig. Nachdem wir sechs Tage in der Woche gearbeitet haben, brauchen wir den Sonntag zum Ausspannen, Ruhefinden und Neubesinnen. Wir brauchen unsere ganz persönlichen Tankstellen: täglich, wöchentlich und jährlich.

Woraus lebe ich? Was hält mich in Balance? Was gibt mir Kraft für den Alltag? Was ist der Sinn meines Lebens und meines Arbeitens? Warum sorge ich mich um Menschen und Dinge?

Menschen, die keine Tankstellen haben, sind zu vergleichen mit „Schafen, die keinen Hirten haben“ (Markus 6,34). Sie irren umher, geraten in Sackgassen, kennen kein Ziel und haben plötzlich keine Lebenskraft mehr. Letztlich sind sie orientierungslos wie die Kinder, die in dem Buch „Kinderkreuzzug“ von Bertold Brecht verängstigt ausrufen: „Wir wissen den Weg nicht mehr.“

Was ist also meine „Tankstelle“? Jesus bietet sich an – auf ihn hören und sich ihm überlas-sen. Vielleicht kann ich es formulieren wie die Schriftstellerin Christa Peikert-Flaspöhler: „Wenn mein Herz stumpf und ermüdet verharrt, trete ich arm und leer vor dich hin. Nimm mich an, Herr, als Gebet“.

Ich wünsche Ihnen, aber auch mir, dass wir in den kommenden Wochen unsere ganz persönlichen Tankstellen für unser Leben finden

Ihr Pfarrer
Wolfgang Schultheis